Kaum haben sich zwei gefunden, haben zu Tiefe und viel Gemeinsamkeit gefunden, taucht wie ein schillernder Vogel dieser tief empfundene Ausdruck auf: „Lass uns eine Familie gründen!“
Schon als Kind hatte mich die Biblische Geschichte zum nachdenken gebracht, als bei der “Verklärung Jesu“ seine Jünger nichts besseres zu sagen wissen, als: „Lass uns Hütten bauen . . .!“
Es gibt nur ganz wenige Momente, in welchen ein solch emotionales (!heiliges!) Erleben Wirklichkeit wird.
Frisch verliebt, da denkt keiner direkt ans Familie gründen, erst dann wenn die Gefühle eine größtmögliche Übereinstimmung empfinden lassen.
Diesen so außergewöhnlichen Zustand möchte man greifen (eigentlich begreifen!) und halten (am Ende gar fest halten im Sinne von “fest installieren . . .?“)
Familie gründen . . .
Je nach Herkunft bringen die Partner ein bestimmtes “Gepäck“, also z.B. Vorstellungen von der Herkunftsfamilie – oder: „gerade nicht wie in derselben“ mit.
Verliebt ist es leicht miteinander Einzelheiten auszuhandeln – nun aber – im Zustand “Hütten bauen zu wollen“ also in dem so wunderbaren Moment der größten Übereinstimmung, wird oft der Versuch etwas zur Verhandlung einzubringen als störend empfunden, es stört die gerade doch als so wunderbar erlebte Harmonie . . .
“Familie gründen“ ist einem ein “Unternehmen gründen“ gleich! Jetzt ist auch der klare Verstand gefragt, jetzt ist es wichtig, sich klar auszusprechen, erste Risiken ins Gespräch zu bringen: möglicherweise Harmonie gefährdende Ansichten . . .
Gerade erst hat sich eine Partnerschaft gebildet, ist ein “Wir“ entstanden – welches prompt fragt: „Wie wollen wir leben?“ – wird der Bereich der Romantik auch schon verlassen. Wer bringt welches Einkommen mit? Wo wollen wir leben? – ist die Frage nach dem Umfeld, nach dem Lebensmittelpunkt – jetzt zweier – Menschen, deren Freundeskreis, deren Familien – oder doch möglichst weit weg von alledem, ganz neu beginnen . . .
Liegen gescheiterte Beziehungen hinter den Partnern, wird es früher oder später auch um unverarbeitete “Altlasten“ gehen.
Handelt es sich um ein Paar jüngeren Alters, steht evtl. die Alternative “Kinder oder Karriere“ zu verhandeln an. Vielleicht ist einer der beiden noch in Ausbildung oder Studium? Nicht selten übernimmt der schon ausgebildete Partner die Einkommensseite, und ermöglicht dem anderen die Ausbildung, das Studium zu vollenden . . .
Familie gründen und ein Unternehmen gründen ist schon nah beieinander!
Bei einem Unternehmen zu gründen wird die Kompetenz jeder der Partner geprüft – im Privatleben – wer hätte wirklich geprüft?
Und steht tatsächlich das Thema: “Kinder“ schon an zu verhandeln, wer hätte die Fähigkeit “Eltern“ zu werden erlernt? Erfahrene Hebammen wissen, dass mit der Geburt des Kindes unverarbeitete Anteile aus der eigenen Kindheit auftauchen können. So hatte schon Sigmund Freud den Spruch geprägt (frei wiedergegeben): „Ein Kind aufziehen, kommt einer Analyse gleich.“
Das ließe sich vorher bearbeiten, gäbe es ein Bewusstsein für das möglicherweise eigene Geburtstrauma. Schlimme Nachrichten, wie die, dass ein junger Vater seinen Säugling erschlug, weil er das Schreien nicht ertragen konnte . . . – so etwas wäre vermeidbar!
Die häufigste Frage in der ganzen Zeit dreht sich allerdings um die “Verhütung“. Das Paar möchte nichts überstürzen, also soll die Fruchtbarkeit der Frau so lange unterdrückt werden, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Was der richtige Zeitpunkt ist, lässt sich anscheinend nur in idealisierten Beschreibungen ausdrücken. Wenn da Mutter Natur nicht öfters mal mit einem kleinen Schubs nachhelfen würde . . . Nicht wenige Paare, die das Thema “Familie gründen“ nur emotional oder nur “verkopft“ angehen – werden von einer Schwangerschaft jetzt etwas überrascht . . . Kaum thematisiert wird: „Wann wäre der emotionale Raum für ein Kind?“ Also: „Wann sind diese zwei Menschen wirklich bereit, diesem werdenden Leben den ihr angemessenen Platz (im “Herzen“, zeitlich und räumlich) zu geben?
Was in unserer Kultur in Vergessenheit geraten ist, ist das Phänomen der “Parthenogenese“ (der “jungfräulichen Schwangerschaft“).
Marianne Wex hat sich mit ihrem Buch “Parthenogenese heute“ dieses Thema vorgenommen. In der zweiten Auflage ist es im Frauenmuseum Wiesbaden erhältlich. (www.frauenmuseum-wiesbaden.de/fmw/publikationen.html) In diesem Buch wird von “der Urkraft der Frau aus sich selbst heraus zu gebären, ohne Beteiligung eines zweiten Geschlechts“ berichtet und welches Leid aus Unwissen oder bewusster Unterdrückung dieses Phänomens den Frauen immer noch angetan wird . . . Das Patriarchat (die Männerherrschaft) verlangt den deutlichen Bezug zum “Erzeuger“. Schließlich geht es um Besitz!
Kommen wir also zur bewussten Familienplanung:
Meist wird in den Beratungen von Risiken trotz Verhütung dennoch schwanger zu werden gesprochen. Folgerichtig geht die Verhütungsauswahl oft in Richtung: “bequem“ und “100 %ig“ – weniger wird in die bewussten Körpervorgänge Einblick genommen.
Dass “die Pille“ einen Hormoncocktail enthält, der eine Schwangerschaft vorgaukelt und damit eine “weitere Schwangerschaft“ unmöglich macht – also auch einen massiven Eingriff in das ohnehin empfindliche Hormonzusammenspiel darstellt – wird so natürlich kaum erklärt.
Kondome sind nicht sehr beliebt, stören sie doch den lustvollen Ablauf eines “amourösen Stelldichein“ machen schnell technisches vordergründig wichtig – werden oft einfach als “unromantisch“ empfunden . . . So wird von den jungen Männern gerne möglichst bald die Verhütung („ … ist ja auch nicht wirklich sicher!“) zur Frauensache erklärt.
Die breite Vielfalt wäre schon ein eigener Artikel wert!
Hier nur eine kleine Auswahl: Verhütung – überlassen Sie nichts dem Zufall
Eine ganz andere Frage stellt sich, wenn sich eine Schwangerschaft partout nicht einstellen will. Jetzt stehen Paare mit unerfülltem Kinderwunsch vor der Entscheidung: sich abfinden, weiter hoffen oder die Hormonbehandlung, bzw. Labor-Medizin in Anspruch zu nehmen.
So gesehen wird aus der Verhütungsmethode nach Knaus-Ogino (der Kalendermethode) eine Möglichkeit den fruchtbarsten Moment kennen zu lernen . . .
Die Frage: „Wie wollen wir leben?“ ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich beantwortet und wird auch im Laufe des weiteren Lebens immer neue Facetten des Miteinander zu Tage fördern.
Im “Goldenen Zeitalter“ (bis ca. 6000 Jahre vor unserer Zeitrechnung) lebten Menschen in Gruppen – in Sippen zusammen. Geborgen im größeren “Wir“. In unserer modernen Welt erschreckt aus diesem Blickwinkel, die enorme Zahl der alleinerziehenden Mütter und auch Väter! Meist wird der Rollenwechsel der Partnerschaft zur Elternschaft nicht verkraftet, Beziehungskrisen werden existenziell . . .
In der Großfamilie – ich erinnere mich noch sehr gut an ein liebevoll-klärendes Gespräch mit meinem Großvater – können solche Probleme zu Herausforderungen umgedeutet – das eher “sportliche“ Moment wahrgenommen werden.
In der heutigen Zeit leben die meisten Menschen in Single- oder Kleinfamilien-Haushalten. Ein klärendes Gespräch findet selten mit einem weisen Alten statt, diese leben meist selber vereinzelt! Den Bedarf müssen gute Freundinnen abdecken. Wenn es gar nicht geht, kommt eine Therapie in Betracht.
Luxus für junge Eltern: Das ist in vielen weiteren Bereichen unseres Lebens “normal“ geworden, z.B. will das junge Glück einen Extrawunsch erfüllt haben und sei es nur der lang vermisste Kinobesuch, muss meist Geld in die Hand genommen werden – die Kinderbetreuung wird per Annonce gefunden.
In der Großfamilie – oder heute: in der Wahlfamilie, der Lebensgemeinschaft mit ähnlich orientierten Menschen – ist gegenseitige Unterstützung Teil des Lebenskonzeptes.
Immer mehr Lebensgemeinschaften sprießen – und es werden alternative Lebenskonzepte regional betrachtet. Diese Bewegung deckt viele Grundbedürfnisse wieder ab, die in der Bewegung der vergangenen Jahrzehnte verloren gingen.
Öffentlich diskutiert werden die allgemeinen – die kostenintensiven Seiten, wie regionale Energieversorgung, regionale Lebensmittel, u.ä. Dass mit der Lebensgemeinschaft die Bedürfnisse der Gruppe, also die wirklichen Menschenbedürfnisse als soziale Wesen zu intensiver Persönlichkeitsentwicklung beitragen, einander unterstützen und herausfordern, ist weniger öffentliches Thema. Vereinzelt oder einsam wird man auf jeden Fall nicht werden, selbst wenn das Kind mit hohem Fieber das Bett hüten muss, ist immer jemand da . . .
Autor dieses Artikels
Wilfried Ott