Weshalb kann in einer Beziehung nicht einer dem anderen vergeben und alte Wunden können heilen?
Es hapert meist nicht am Verständnis der Menschen, dass Vergebung eine wunderbare Heilungschance für die Partnerschaft bietet.
Aber es gibt oft Vorbehalte, Ängste, dass die gleiche oder eine ähnliche Verletzung wieder passieren könnte und Frust aus solcher Erfahrung haben wir alle.
An dieser Stelle ist es wichtig unterscheiden zu lernen, welches der Unterschied zwischen “Entschuldigung” – z.B. beim tanzen auf die Zehen getreten – und echtem Verzeihen ist.
“Entschuldigung heißt: Ich werde es wieder tun! Weil ich es als kleines Missgeschick betrachte. Beim Tanzen auf die Zehen treten, kann doch jedem mal passieren, Entschuldigung!
Hier hat der Schmerz keine Würdigung, die Verletzung keine Beachtung erfahren, hier findet kein lernen, kein sich weiterentwickeln statt!
Den Schmerz des Anderen würdigen, heißt, ihn annehmen als seinen Schmerz.
Nun kann ich mir anschauen, dass ich möglicherweise den Schmerz verursachte.
Möglicherweise habe ich alte Verletzungen berührt, bin also “nur” auslösend dafür gewesen.
Was auch immer – ganz wichtig! – den Schmerz des Anderen für-wahr-nehmen, nicht zu beschwichtigen oder verdrängen suchen. So schnell ist das passiert! Sondern mit meinem Herzen hinhören, hinfühlen – nun entsteht ein mitschwingen, ein emphatisches öffnen meinerseits.
Möglicherweise kann ich zuerst gar nicht verstehen was so verletzt haben soll.
Möglicherweise bin ich blind für diese “Lächerlickeit”.
Diesen “blinden Fleck” kann ich nun in meiner Wahnehmung öffnen, sehend werden!
Möglicherweise trifft es zu, dass ich an dieser Stelle einen “Schatten” meiner Persönlichkeit habe.
Das ist umso eher anzunehmen, wenn unterschiedliche Menschen ähnliche Klagen vorbringen oder mir bestimmte Szenen öfters passieren.
Der häufigste Schatten ist z.B. Narzissmus.
Als kleines Kind wurde ich in meiner Existenzberechtigung gekränkt oder verletzt.
Es gab möglicherweise Vorbehalte gegen mich im zarten Alter, weil ich ein Junge oder ein Mädchen war.
Vielleicht waren meine Eltern in Not, ließen mich spüren, dass ich zuviel für sie war . . .
Ein solcher Schatten war für mich als Kind zu viel, überstieg meine Fähigkeit dieses emotionale Desaster zu bewältigen.
Leichtere Fälle lösen Kinder durch verdrängen, schwere Fälle durch negieren oder völliges abspalten.
Das bedeutet, ich schließe einen Komplex meiner Wahrnehmung völlig aus und habe so die Möglichkeit zu überleben bzw. weiter zu leben.
Dieser wunderbaren Lösung des Lebens-Konfliktes verdanke ich meine heutige Existenz, meine Gesundheit.
Menschen entwickeln um ihr Schattenthema häufig auch ihre größte Kompetenz, eben um den Schatten zu kompensieren.
Daher liegt “Licht und Schatten” häufig so nah beieinander.
Zurück zum Schmerz, der mir gerade eben mitgeteilt wird, möglicherweise sehr emotional.
Jetzt kann es geschehen, dass ich aus meiner (häufig passiert es in religiöser Erziehung!) Kindheit oft mit dem Thema “Schuld” konfrontiert wurde.
Höre ich jetzt z.B. “Du-bist-Schuld” passiert etwas ganz altes: ich identifiziere mich mit der Schuld, bin Schuld, muss nun aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden.
So ahndete man früher häufig schuldig gewordene . . .
Angst nimmt mir die Möglichkeit mich zu öffnen, lieber zurückschreien, mich wehren oder nach bewährter Methode abwiegeln, abspalten, verdrängen!
Was mir als Kind schon half, ist heute auch noch gut!
Offene- Transparente Kommunikation hat also sehr viel mehr mit mir, als mit meinem Gegenüber zu tun!
Ich erfahre sehr viel über mich, indem ich meinen unangenehmen Empfindungen nachspüre, eben öffne was ist!
Spannend ist es auch den “Du-Botschaften” Beachtung zu schenken!
Zeigen sie mir doch verstärkt, was ich dem Menschen gegenüber gerade vorwerfe, mein Dilemma an.
Werfe ich z.B. unpünktliches Verhalten vor, könnte dahinter stehen, dass ich sehr große Mühe habe pünktlich zu sein, mich aber derart damit in die Pflicht nehme, dass ich es schon als Last empfinde.
Sich einfach öffnen, könnte zutage bringen, was ich an (zwanghafter, neurotischer) Last trage . . .
Möglicherweise könnte ein wenig Lockerheit nicht nur mich entspannen!
Öffne ich mich nun, wie gerade beschrieben, nehme also das Risiko auf mich, mir selber – auch meinen Schattenaspekten zu begegnen, spürt mein Gegenüber meinen Mut.
Vertrauen kann entstehen.
Möglicherweise kann Reue in mir werden, eine mitfühlende Wärme, eine neue nie dagewesene Nähe als Empfinden . . .
Öffnen was ist!
Stetig beschreibend, in kurzen Ich-Sätzen (Zwiegespräch) “Ich fühle . . .”
Ähnlich wie klingende Saiten andere in Resonanz – zum schwingen und klingen bringen können, beginnt es in uns sich zu verändern.
Schließlich ist es klar!
Jetzt ist ein ganz besonderer Moment: “Kannst Du mir verzeihen?” oder “Bitte verzeih mir!”
Zeit spielt hier keine Rolle, nichts muss schnell geschehen! Es dürfen Tage vergehen, ein prüfen des Herzens auf Nachhaltigkeit, auf wirklich etwas Neues in der Beziehung darf sein.
Das “Ja!” kann leise kommen, aber es kommt, wenn der Prozess fertig ist.
Kommt kein “Ja”, ist möglicherweise noch ein Vorbehalt gewesen, öffnen was ist . . .
Ist ein Verzeihen möglich geworden, fallen ganze Felsbrocken von beiden Herzen!
Und was auch schön ist, selbst hartnäckige Schatten verlieren Stück um Stück, die Wahrnehmung kommt zurück, lässt die Lebendigkeit frei.
So gesehen bietet gerade die Liebes-Beziehung eine wunderbare Möglichkeit zu wachsen, sich zu entwickeln, zu neuer Selbstbewußtheit und Differenzierung! (Aber jede Art der Beziehung hat diesen Aspekt in sich!)
Autonome Menschen beziehen sich aufeinander – klingt besser als “sind abhängig voneinander” oder “kommen scheinbar nicht zusammen und auch nicht voneinander los . . .”
Beziehung als das was dem Wortsinn entspricht . . .
Frei sein und doch zusammen!